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Rolf
Sachsse:
Die Frage nach dem Original. Zur deutschen Photographie heute
"Nennt
es wie Ihr wollt, aber nennt es nicht Photographie!" appellierte
Grant B. Romer, Chef der Restaurierungsabteilung am George Eastman
House, Rochester NY, dem größten Photomuseum der Welt,
an die Hörerinnen und Hörer einer Konferenz zum Erhalt
von Photoarchiven.
Ihm ging es darum, sämtliche Verfahren Computer generierter
Lichtbilder von der ursprünglich physikalisch-chemischen, quasi
"analogen" Photographie fernzuhalten. Einige Monate später,
im Frühjahr 2005, titelte gar eine Konferenz zum selben Thema
mit der Feststellung, dass "das Original in der Photographie"
"ein Begriff in Auflösung" sei. Die anwesenden Sammler
photographischer Bilder wurden mit der Ankündigung geschockt,
dass sie entweder ihre Bilder in dunklen Kühlräumen zu
lagern oder auf eine längere Lebensdauer zu verzichten hätten.
Die
Realität ist weiter: Der größte Hersteller von Photoapparaten
weltweit ist inzwischen ein Hersteller von Mobiltelephonen, und
die alltägliche Praxis des Bildermachens für die schnell
konsumierte Erinnerung findet bereits ihren Niederschlag in Kunst
und Design. Sei es die Malerei nach schnell geschossenen Motiven,
die zur Zeit von Leipzig aus als deutsche Kunst etabliert wird,
oder seien es die Bilder von Katastrophen, die durch die Telephonphotographiererei
eine neue Note des Authentischen erhalten und damit einen erneuten
Niederschlag in Aktionsformen der bildenden Kunst finden werden
das digitale Bildermachen ist allgegenwärtig, referiert
jedoch nicht mehr ein künstlerisches Produkt, sondern ein schnelles
und wenig reflektiertes Handeln vor Ort. Was dies langfristig für
die künstlerische Praxis bedeuten mag, ist im Bereich der Medienkunst
schon thematisiert worden. Nur sieht sich diese, und weitgehend
zu Recht, nicht mehr Teil der Photographie.
Gleich
auf welchem Weg entstanden, sind sich Kunstmärkte und Designforen
darin einig, dass als Photographie heute alles zu bezeichnen sei,
was nach apparativer Aufnahme einen analogen oder digitalen Bearbeitungsprozess
durchlaufen hat und schließlich in irgendeiner Form auf Papier
gelandet ist. Wie in der bildenden Kunst sei im folgenden also alles
als "Werk" bezeichnet, das seinen materiellen Niederschlag
in direkter Anschauung preisgibt, eben als photographisches Bild.
Gleich
wie man die heutigen Verfahren nennt, die in der Photographie ihren
Ursprung hatten, sie sind alle gleich gut im öffentlichen Bewusstsein
vertreten Photographie ist sicher das geworden, was man ein
Leitmedium in Kunst und Design nennen kann. Das hat aber auch dazu
geführt, dass die einzelnen Leistungen nicht mehr im Medium
diskutiert werden, sondern jenseits davon. Insofern lässt sich
die Aussage wagen, dass die Photographie perfekt im kulturellen
Lebens Deutschlands angekommen ist. Es könnte allerdings sein,
dass sie gerade dadurch als eigenständige Kunst verloren geht.
(c)
Goethe-Institut, Online-Redaktion und der Autor
Prof. Dr. Rolf Sachsse lehrt Designgeschichte und Designtheorie
an der Hochschule der Bildenden Künste Saar in Saarbrücken
Dieses Dossier ist die Zusammenfassung eines Vortrags auf dem Internationalen
Seminar zur Fotografie im Goethe-Forum Berlin am 24.9.2005
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